Montag, 22. Dezember 2008

Die Reise Teil 2

Donnerstag 18. September 1975 (1. Tag)
Edmonton, AB – Calgary, AB
Autostop 295 Km


Sibylle: Man muss immer auf Unvorhergesehenes vorbereitet sein. Im Prinzip wollten wir nur für 2 Wochen auf den Tramp nach Vancouver gehen. Doch Rod erklärte uns dass es besser wäre wenn wir schon jetzt ohne Rückkehr gehen. So stehen wir am 18.9 auf der Autobahn in Edmonton, unsere zwei Rucksäcke liegen im Gras, und wir stehen an der Strasse. Auto um Auto fährt an uns vorbei, doch schon nach 15 Minuten hält ein alter Karren an. Ein ca. 20 jähriger Mann nimmt uns mit bis nach Calgary.

unser Autostop-Schild

Marcel: Der erste Tag auf unserem Trip nach Florida. Wir stehen auf der Highway 2A die uns von Edmonton nach Calgary bringen soll. Gerry hat uns hierher gebracht. Wir stehen ca. 15 Minuten da, als ein alter Truck anhält. Wir laden unser Gepäck auf und steigen ein. Es ist eine sehr lustige Fahrt, am Steuer sitzt ein ca. 20 jähriger Typ. Wir kommen ins Gespräch und ich erfahre dass dieser Truck ein Ford Comet Baujahr 1948 ist und das auf der Ladefläche eine Fender Telecaster De Luxe und ein Kofferverstärker ist.

Ford Comet 1948 Pick Up Truck (“unserer” hat wohl nicht so gut ausgesehen)

Marcel: So fahren wir mit ca 50 MPH (ca. 80 km/h) dahin. Es ist 13.00 Uhr als wir in einem Autobahnrestaurant etwas essen. Danach zur Tankstelle und dann wird ein Doobie geraucht und weiter gehts. Am Nachmittag sind wir in Calgary.

Sibylle: Gemütlich fahren wir mit 50 km/h durch die Landschaft, bald kommen wir ins Gespräch und Marcel erfährt dass auch er Gitarre spielt und so diskutieren die zwei über Musik. Nach zwei Stunden Fahrt rasten wir in einem Restaurant und trinken einen Café. Er macht uns den Vorschlag, mit zu einem Freund zu kommen. Nach weiteren 2 1/2 Stunden erreichen wir schliesslich Calgary.

Calgary Street Map

Marcel: Wir fahren in die 1A Street SE wo uns ein Indianer namens Lindsay empfängt. Wir trinken Kaffee und plaudern ein bisschen. Auf dem Tisch liegt eine ca. 20 Jahre alte Gibson Gitarre und einige Blues Harps. So beginnen wir eine Jam-Session. Wir spielen zu dritt Blues und Country Music. Lindsay spielt nicht schlecht Gitarre und auch auf der Blues Harp ist er ziemlich gut. Unser Driver ist nicht so wahnsinnig, aber s'fägt.

Sibylle: Endlich finden wir auch die Strasse in dem dieser Freund wohnt. Sofort werden auch wir aufgenommen, und bei einem Tee unterhalten wir uns ein wenig. Kurz darauf spielt Marcel mit ihnen Gitarre. Ich sitze in einem Sessel und spiele ein bisschen mit einem kleinen Hund.

Lindsay Tylar Kenyon mit seiner alten Gibson

Ich und unser Driver

Lindsay mit seiner alten Gibson

Marcel: Diese beiden Typen wollen auch hinunter in den Süden um mit Musik Geld zu verdienen. Paul und Jil kommen nach Hause (ihnen gehört die Wohnung). Wir können diese Nacht im Zelt in ihrem Garten übernachten. Wir gehen noch etwas essen und dann geht’s ab in den Schlafsack.

Sibylle: Später spatzieren wir zwei noch in die Stadt um eine Kleinigkeit zu essen. Für eine Nacht können wir das Zelt hinten im Garten aufstellen. Bald liegen wir müde in unseren Schlafsäcken.

Freitag 19. September 1975 (2. Tag)
Calgary, AB – Castle Mountain Junction, AB
Autostop 157 Km
TOTAL 452 Km

Marcel: Wir sind noch am Leben. Es war eine angenehme Nacht aber gegen den Morgen etwas kühl. Unser Zelt ist so ziemlich nass. Es ist halb acht Uhr und ich stehe auf und gehe hinein zu Paul der auch erst aufsteht. Er erklärt mir wie wir zur Trans-Canada Highway kommen und er sagt wir sollen noch ein paar Tassen Tee trinken. Paul und Jill gehen arbeiten. Ich hole Sibylle aus dem Schlafsack. Dann räumen wir zusammen und hängen das Zelt an die Sonne. Ein wirklich schöner Tag heute. Wir setzen uns in die Stube, rauchen eine Zigarette, trinken Tee und geniessen die Sonne. Es ist Zeit für uns zu gehen. Wir fahren mit dem Bus zur Highway, essen Spaghetti zu Mittag und dann stehen wir da 2 ½ Stunden bis uns einer nach Banff mitnimmt.

Sibylle: Ausser dass wir am Morgen ein total nasses Zelt haben und es ziemlich kalt war, haben wir die Nacht gut überstanden. Nachdem wir uns mit ein paar Tassen Tee aufgewärmt haben, verabschieden wir uns von den andern, und machen uns auf den Weg. Ein wunderschöner Morgen, noch etwas frisch, doch die Sonne bringt uns bald ins schwitzen. Nach einer Fahrt mit dem Bus, stehen wir nach einer Stunde wieder an der Autobahn. Wir entschliessen uns noch in ein Restaurant zu gehen um etwas zu essen. Wir studieren die Landkarte, und schlussendlich stehen wir mit einem Vancouver-Schild auf der Autobahn. 11:00 Uhr kein Auto, 12:00 Uhr - 13:00 Uhr - 13:30 Uhr endlich wieder ein vernünftiger Mensch, wenige Meter neben uns hält ein Pontiac, schnell werfen wir unser Gepäck hinten hinein und los geht's.

Sibylle mit dem Vancouver-Schild an der 16 Ave NW in Calgary

Marcel: Wir fahren ziemlich schnell, ungefähr gleichschnell wie das Polizeiauto eine halbe Meile vor uns. Nach dem passieren des Osteingangs das Banff Nationalparks warten die Polizisten bereits auf uns. Sie halten uns an und meinen wir seien schon ein bisschen schnell unterwegs. Unser Chauffeur meint er wäre nur so schnell gefahren wie das Polizeiauto vor uns. Daraufhin fällt den beiden Cops nichts mehr ein und nach einer Ausweiskontrolle lassen sie uns weiterfahren.

Banff National Park Ost Eingang (2007)

Marcel: Unterwegs nehmen wir noch zwei andere Typen mit die auch in diese Richtung wollen. Im Banff National Park ist Endstation für uns vier. Wir stehen und warten, wird uns jemand noch irgendwo hinbringen heute ??? 2 ½ Stunden später hält eine junge Frau aus Kalifornien und nimmt uns mit bis in eine Jugendherberge (HI-Castle Mountain Wilderness Hostel)

Sibylle: Unterwegs nimmt er noch zwei Stopper mit, doch schon nach ein paar Meilen ladet er uns auf der Autobahn nach Vancouver wieder aus. 16:00 Uhr. Leider ist hier kein grosser Verkehr und es dauert lange bis ein Auto vorbei fährt. Ein Lächeln, ein Kopfschütteln aber keiner nimmt uns mit. So stehen wir hungrig drei Stunden. Doch dann nimmt uns ein Mädchen aus Kalifornien mit, und fährt uns zu einer Jugendherberge.

HI-Castle Mountain Wilderness Hostel (2006)

Marcel: Wir spatzieren ein bisschen herum. Da ist ein Bungalowtown namens Castle Eisenhower Bungalows (heute Storm Mountain Lodge). Es scheint geschlossen zu sein, kein Mensch da.

Castle Mountain

Castle Eisenhower Bungalows Schild

eines der Bungalows

Castle Mountain

Marcel: Wir haben Hunger also kehren wir zurück in unsere Jugendherberge. Sibylle kocht Reis. Ich habe schon besseres gehabt, aber das ist in den Rocky Mountains nicht nötig. Wenn man hunger hat isst man alles. Das Land ist totale spitze. Wirklich einmalig schön.

Sibylle: Mitten in einem Wald steht diese Herberge. Total abgelegen vom nächsten Dorf, so haben wir auch keine Gelegenheit etwas zu essen. Schliesslich finde ich aber noch ein wenig alten Reis in einem Kasten, es schmeckt nicht erstklassig , doch wir haben solchen hunger, dass wir das gar nicht merken. Am Abend sitzen wir alle am Feuer und unterhalten uns. Gegenseitig erzählen wir uns, was wir schon alles erlebt haben. Marcel sitz mit einem Mädchen aus San Francisco zusammen, sie studieren die Landkarte. Am Schluss schenkt sie uns alle Karten und zwei Bücher die wir später gut gebrauchen können. Sie gibt uns noch ihre Adresse und lädt uns ein bei ihr vorbei zu kommen wenn wir in San Francisco sind. um 23:00 Uhr liegen wir alle auf unseren Betten und schlafen endlich ein.

Samstag 20. September 1975 (3. Tag)
Castle Mountain Junction, AB – Kamloops, BC
Autostop 465 Km
TOTAL: 917 Km

Marcel: 7:30 Uhr Tagwach. Es ist kalt, wir haben die ganze Nacht das Fenster aufgehabt. Wir haben keine Lebensmittel mitgebracht, also gibt es für uns auch kein Frühstück. Wir räumen auf, verabschieden uns und machen uns auf den Weg.

Sibylle: Girls aufstehen, 7:30 Uhr. Noch einen Moment strecken, doch bald sind wir auf und wärmen uns in der Stube. Nachdem die anderen ihr Frühstück beendet haben erledigen wir unsere Ämtli. Marcel schruppt den Boden und ich muss 4 Eimer Wasser vom Bach holen. Mit dem Photoapparat mache ich mich auf den Weg. Ein herrlicher Morgen, die Vögel pfeiffen, die Sonne lässt ihre Strahlen durch die Blätter eines Baumes scheinen, kein Lärm, nur das Rauschen des Baches.

Castle Mountain Junction

Bow River

Train Tracks

Sibylle: Ich geniesse noch ein paar Minuten die Ruhe, doch bald stehe ich mit den vollen Eimern im Haus. Wir wärmen das kalte Wasser ein wenig und duschen uns kurz darauf. Um 9:00 Uhr stehen wir wieder an der Autobahn, der Hunger plagt uns schon jetzt wieder, aber wir müssen uns noch lange Zeit gedulden. 4 1/2 Stunden warten wir bis uns ein Bus 10 Meilen mitnimmt.

Marcel: Um 9:00 Uhr stehen wir wieder an der Highway 1A West und hoffen dass wir heute ein bisschen mehr Glück haben. Wir sind nicht allein. Es steht bereits ein anderer Typ da, der ebenfalls nach Vancouver will. Bereits eine Viertelstunde später wird er mitgenommen. Es wird 10:00 Uhr keiner hält an, es wird 11:00 Uhr und es hat immer noch keiner angehalten. Zeitenweise begreife ich es nicht mehr, 20 Autos nacheinander, Platz zum versauen und keiner nimmt uns mit. Am liebsten möchte ich aufgeben einfach hier irgenwo in die Wildniss sitzen und campen. Meilenweit kein Mensch nur wir beide, doch auch Meilenweit kein FOOD und wir haben H U N G E R. Es ist 12.00 Uhr, einer hat angehalten doch als ich ihn frage wohin er fährt, antwortet er Jasper, was für uns die falsche Richtung ist. Wir warten nun schon seit 4 Stunden, da kommt ein oranger VW-Bus herangefahren. Er hält, tatsächlich er hält. Doch auch dieser lässige Typ fährt nach Jasper. Wir fahren mit ihm bis dahin wo sich die Highway teilt. Resultat: 4 Stunden warten 20 Meilen gefahren. Well, dann stehen wir halt wieder ein bisschen. Wir stehen bei einem Schild auf dem hingewiesen wird, das es bis ins nächste Dörflein Namens Field, 14 Meilen und bis nach Golden 50 Meilen weit ist.


Marcel: Wir schauen uns um ob wir hier irgendwo unser Zelt aufstellen und die Nacht verbringen können, vielleicht irgendwo im Wald. Wir glauben nicht das wir heute noch weiter kommen, da wir nun schon wieder 2 ½ Stunden stehen. Noch nichts gegessen, noch nichts getrunken, bis jetzt 2 Zigaretten geraucht. Jetzt langt’s, ich nehme ein Stück Karton und schreibe Field darauf, nur damit wir wenigstens bis ins nächste Dorf kommen um endlich etwas essen zu können. Eine Minute später, wir können’s kaum fassen, hält ein BMW. Am Steuer sitzt ein ca. 35 jähriger Mann mit Bart, gepflegter Eindruck. Er fragt uns wo wir hinwollen und ich antworte dass wir eigentlich nach Vancouver fahren möchten.Worauf er mir sagt dass er dasselbe Ziel habe, er jedoch geschäftlich unterwegs sei und in Revelstoke noch etwas zu erledigen habe. Wunderbar, wir laden unser Gepäck ein und ich fühle mich schon um einiges besser. Wir fahren durch die Berge und manchmal komme ich mir vor wie in einem Märchen. Es ist so grossartig schön hier, es beiendruckt mich mächtig.
Sibylle: Wieder fahren Autos an uns vorbei, wieder warten wir drei Stunden. Marcel spielt ein wenig Gitarre, doch kaum hat er sie ausgepackt, hält ein BMW an. Ein ca. 35 jähriger Mann hilft uns das Gepäck einzuladen. Bald darauf fahren wir weiter. Einfach phantastisch, diese Wälder, Seen und die Rocky-Mountains.

Beautiful British Columbia

Marcel: Wir halten in Golden es ist 16:00 Uhr, wir tanken und gehen etwas essen. Golden besteht etwa aus 10 Häusern. Wir essen ein Schinken mit Ei Sandwich getoastet und trinken ein Coke, danach rauchen wir eine Zigarette, endlich. Wir sitzen da und diskutieren. Er fragt nach unseren Namen und stellt sich als Cam vor. Wir fahren weiter nach Revelstoke. Er fährt uns vor ein Restaurant und sagt er sei in 20 Minuten wieder hier. Vorsichtshalber notiere ich mir seine Autonummer ONTARIO HCC-441. 20 Minuten später ist er wieder da. Wir fahren weiter bis nach Kamloops wo wir in ein Motel gehen. Es ist ein wunderbarer Abend. Er spendiert noch ein Nachtessen dann gehen wir heim. Wir nehmen ein Bad, villeicht das letzte für die nächsten paar Wochen ? Dann wird noch diskutiert. Es ist Zeit zum schlafen, wir müssen morgen so um ca. 8:00 Uhr auf sein. Zum ersten Mal seit 21 Tagen in einem Bett.

Sibylle: Nach einem Gespräch erfahren wir dass er geschäftlich auf dem Weg nach Vancouver ist. Immerhin sind dies noch 539 Meilen. In einem kleinen Dorf hält er an, er will noch schnell jemanden besuchen. Wir zwei gehen unterdessen in ein Restaurant. Marcel notiert zur Sicherheit die Autonummer von Cam, doch schon nach einer halben Stunde sitzt er zusammen mit uns am Tisch. Wir stellen fest dass er ein Irrer Typ ist. Nach weiteren drei Stunden halten wir in Kamloops an, er macht uns den Vorschlag hier zu übernachten und morgen weiter zu fahren. Wir sind einverstanden. Er sucht ein Hotel und bald haben wir unsere Sachen in einem wunderbaren Zimmer. Er lädt uns noch zum Essen ein. Ich nehme um 23:00 Uhr noch ein Bad und dann reden wir noch lange. Endlich liegen wir im Bett ! Ein herrliches Gefühl, nach 2 1/2 Wochen auf einer Matratze zu liegen. Wir kapieren nicht, kann man soviel Glück haben ? Es scheint fast.

Cam

Cam + Marcel

Ein Bett !!!

Sibylle

Marcel

Keine Kommentare: